La Jolla (U.S.A.). Rauchen ist laut dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko. Trotz großer Bemühungen zur Verringerung des Tabakkonsums und zum umfassenden Schutz von Nichtrauchern sterben noch immer etwa 120.000 Menschen pro Jahr in Deutschland an den Folgen des Tabakkonsums. Hauptverantwortlich dafür sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs die Gesundheitsfolgen umfassen aber auch Zahnausfall und Rheuma sowie zahlreiche andere Krankheiten.
Trotz des bekannten Risikos schaffen es laut Schätzungen 75 bis 80 Prozent aller Raucher nicht, von ihrer Sucht loszulassen. Ausgelöst wird dies hauptsächlich durch das im Tabak enthaltene Nikotin, das ähnlich wie Opioide im Gehirn eine Reihe von Botenstoffen wie das Glückshormon Dopamin ausschüttet und so dafür sorgt, dass Raucher mit Zigaretten Gefühle wie Lust und Glück verbinden.
Wissenschaftler der medizinischen Forschungseinrichtung Scripps Research haben nun im wissenschaftlichen Magazin Science Advances einen neuen Ansatz vorgestellt, der Rauchern beim Aufhören helfen könnte. Dazu soll ein Enzym des Bakteriums Pseudomonas putida genutzt werden, um beim Rauchen bereits im Blut das Nikotin zu zersetzen. Es könnte somit nicht mehr über die Blutbahn zum Gehirn gelangen und somit auch keine suchtauslösende Botenstoffe mehr dort freisetzen.
Um ihre These zu verifizieren, haben die Wissenschaftler um Marsida Kallupi eine Versuchsreihe mit nikotinabhängigen Ratten durchgeführt. Statt des natürlichen Enzyms nutzten sie die modifizierte Variante NicA2-J1, das sich aufgrund der stärkeren Wirkung und des längeren Verbleibens im Blut gut zur Herstellung eines Medikaments eignen würde.
Während des Experiments konnten sich die Ratten für 21 Stunden pro Tag über einen Hebel selbstständig intravenös Nikotin verabreichen. Nach 12 Tagen wurde der Zugang zum Nikotin beschränkt und war für die Tiere nur noch alle 48 Stunden möglich. Die Ratten entwickelten dadurch nach kurzer Zeit starke Entzugserscheinungen und erhöhten ihre Nikotindosis während des kurzen Zeitfenstern deutlich.
Ein Teil der nikotinabhängigen Ratten erhielt während dieser Zeit, in der der Nikotinzugang stark eingeschränkt war, vor jedem Zugang das Enzym NicA2-J1. Im Vergleich zur Kontrollgruppe konnte dabei beobachtet werden, dass diese Tiere zwar noch immer Nikotin konsumierten, dass dieses im Blut aber schnell abgebaut wurde. Die Konzentration der abhängig machenden Moleküle, die das Gehirn erreichten, lag somit deutlich niedriger als bei der Kontrollgruppe und auch die Entzugserscheinungen fielen geringer aus.
Das eigentliche Verlangen nach Nikotin konnte NicA2-J1 laut den Beobachtungen der Wissenschaftler bei den Ratten jedoch nicht reduzieren. Sie entwarfen deshalb ein weiteres Experiment, bei dem sowohl die Ratten der Kontrollgruppe als auch die Tiere, die das Enzym NicA2-J1 erhalten hatten, bei einem Drittel der Nikotingaben zusätzlich einen Elektroschock erhielten. Es zeigte sich dabei, dass die Kontrollgruppe trotz des eventuellen Elektroschocks unverändert Nikotin über den Hebel anforderte, während die behandelten Tiere deutlich weniger Nikotin konsumieren.
Auch das Rückfallrisiko nach einem Nikotinentzug lässt sich durch NicA2-J1 zumindest bei Ratten stark reduzieren. Um dies zu belegen, entzogen die Wissenschaftler beiden Versuchsgruppen den Zugang zu Nikotin für zehn Tage und weckten anschließend die Sucht der Tiere durch eine Injektion erneut. Es zeigte sich dabei, dass die Kontrollgruppe den Hebel umgehend wieder regelmäßig betätigte, während die behandelten Ratten deutlich weniger Nikotin anforderten.
Die Studienergebnisse deuten laut den Wissenschaftlern daraufhin, dass das Enzym auch aufhörwilligen Rauchern helfen könnte. Olivier George konstatierte, dass „der Ansatz die Nikotinabhängigkeit reduzieren und Entzugserscheinungen minimieren könnte. Außerdem wirkt er im Blutkreislauf und nicht im Gehirn, was die Gefahr problematischer Nebenwirkungen verringert.“
Weitere Studien sollen nun die Effektivität des Enzyms untersuchen, bevor zeitnah klinische Studien mit Menschen folgen.
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aat4751