Computerspiele reduzieren die Reaktionszeit

13. März 2020
Gameboy - Quelle: unsplash.com - Hello I'm Nik

Tübingen (Deutschland). Videospiele haben einen schlechten Ruf, werden von vielen Menschen als Zeitverschwendung angesehen und sollen sogar die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen. Im Zuge der sogenannten Killerspieldebatte kam in Deutschland außerdem die Diskussion darüber auf, dass insbesondere Egoshooter Aggressionen verursachen können und möglicherweise sogar als Inspiration für reale Gewalttaten und Amokläufe dienen.

Eine Reihe von Studien konnte hingegen bereits positive Aspekte von Videospielen belegen. Die Universität Leiden hat laut einer Veröffentlichung im Magazin Psychological Research beispielsweise belegt, dass Computerspiele die Aufnahme neuer Informationen durch das Gehirn beschleunigen können. Eine im Journal Scientific Reports publizierte Studie der Spanish Foundation for Science and Technology hat außerdem belegt, dass Videospiele die visuelle Aufmerksamkeit fördern und das Lesevermögen trainieren können.

Auswirkungen von Videospielen auf Gehirn und Augenbewegungen

Nun haben Wissenschaftler des zur Universität Tübingen gehörenden Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) untersucht, ob Videospiele das Zusammenspiel zwischen Gehirn und Augenbewegungen beeinflussen. Laut David Mack, dem Hauptautor der im wissenschaftlichen Magazin Vision Research publizierten Studie „stellen viele Actionspiele für Computer oder Konsole hohe Anforderungen an Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsbereitschaft, die auf Dauer bestimmte Fähigkeiten des Gehirns trainieren.“

Sakkaden und Sakkaden Reaktionstest mit 67 Probanden

Die Wissenschaftler um Mack erstellten dazu ein Experiment, an dem 67 Probanden teilnahmen, von denen die Hälfe täglich mindestens eine Stunde Computerspiele spielten. Im ersten Abschnitt des Experiments wurden den Probanden sogenannte Sakkaden, dies sind in kurzen Abständen aufleuchtende Punkte, auf einem Bildschirm angezeigt, denen die Versuchsteilnehmer mit ihrem Blick möglichst schnell folgen sollten.

Anschließend folgen Anti-Sakkaden, bei denen die Probanden beim Aufleuchten in die entgegengesetzte Richtung schauen mussten. Es sollte so festgestellt werden, ob Computerspieler im Vergleich gleichaltrigen Personen, die nie oder nur selten ihre Zeit mit Videospielen verbringen, Vorteile bei der Reaktionszeit besitzen.

Computer- und Konsolenspieler mit schnellerer Reaktion

Die Auswertung der Messdaten zeigt, dass erfahrene Computer- und Konsolenspieler in beiden Reaktionstests besser Ergebnisse erzielen als die Kontrollgruppe. Laut Mack „benötigen die Videospieler weniger Zeit bis zum Beginn der Sakkaden, und auch die Geschwindigkeit ihrer Augenbewegungen war eindeutig höher, als bei den weniger erfahrenen Spielern. Auch mit dem anspruchsvolleren Test der Anti-Sakkaden kamen sie besser zurecht.“

Laut den Wissenschaftlern deutet dies daraufhin, dass Computerspiele das visuell-motorisches System trainieren und so dafür sorgen, dass Menschen aufmerksamer und wacher sind, was schlussendlich auch zu niedrigeren Reaktionszeiten führt.

Impulskontrolle ebenfalls verbessert

Das Experiment zeigt außerdem, dass Videospiele nicht wie oft angenommen dafür sorgen, dass Menschen zappelig und hektisch werden und somit Impulse weniger gut kontrollieren können. Wie Mack erklärt, „zeigen die Ergebnisse das Gegenteil: Obwohl Videospieler deutlich schneller reagierten, machten sie nicht mehr Fehler als Nicht-Spieler.“ Die beobachtete Effizienzsteigerung des visuell-motorischen Systems scheint also nicht auf Kosten der Selbstkontrolle zu geschehen.

Psychological Research, doi: 10.1007/s00426-012-0415-2

Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-017-15119-9

Vision Research, doi: 10.1016/j.visres.2014.07.010